Qualität, ein Leben lang.
Nachhaltiges Design zu entwickeln ist heute eine zentrale Aufgabe für Gestalter. Wie ressourcenschonende Produkte entstehen können, die von großer Relevanz, Langlebigkeit und Wertschätzung geprägt sind, weiß Roland Heiler, Geschäftsführer des Studio F. A. Porsche.
Welche Verantwortung tragen Unternehmen heute in Bezug auf Nachhaltigkeit?
RH: Es ist kein Geheimnis, dass wir deutlich über die Verhältnisse unseres Planeten leben, vor allem in den entwickelten Ländern. Diese Erkenntnis dringt langsam, aber sicher in das Bewusstsein aller Beteiligten ein. Viele Unternehmen haben die Verantwortung, die sie tragen, inzwischen erkannt und engagieren sich für den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Ich denke, dass wir weltweit sukzessive vom schnellen Konsum Abstand nehmen müssen. Momentan macht uns die Corona-Krise nachdenklich, denn wir spüren vielleicht zum ersten Mal wie es sich anfühlt, wenn die Welt nicht so funktioniert, wie wir es gewohnt sind. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ mag etwas abgegriffen sein, an Relevanz hat er jedoch keinesfalls verloren. Wenn wir dieses Thema nicht ernst nehmen wird sich daraus eine weniger lebenswerte Welt entwickeln und wir werden dramatische Probleme bekommen.
Welchen Einfluss haben Designer auf diese Situation?
RH: Designer haben eine Schlüsselfunktion. Wir gestalten die Produkte und Prozesse, die das Verhalten der Käufer beeinflussen. Blicken wir zurück in der Geschichte. Es gab zwei große Strömungen, aus denen sich Design als Disziplin entwickelt hat. In Europa waren es Institutionen wie das Bauhaus, die Design für das Produkt, seine Funktion und industrielle Fertigung voranbringen wollten. In den USA entwickelte sich parallel ebenfalls Design, jedoch getrieben von Marketing und Vertrieb. Für Raymond Loewy, einen der wichtigsten amerikanischen Designer jener Zeit, war Design ein Instrument, um Produkte für seine Kunden attraktiver zu machen – um mehr davon zu verkaufen. Heute müssen wir Design vollkommen anders sehen. Wir müssen Design dafür einsetzen Produkte zu gestalten, die besonders lange benutzen werden.
Langlebige Produkte zu kreieren hat Tradition im Studio F. A. Porsche.
RH: Ja, wir beschäftigen uns seit unserer Gründung 1972 mit der Idee des „Lebensbegleiters“. Prof. Ferdinand Alexander Porsches Gedanke war es, Produkte zu gestalten, die als Erbstücke an die nächste Generation weitergegeben werden. Unsere Aufgabe ist es, dieses Erbe weiterzutragen und langlebige Produkte zu entwickeln, die ihre Relevanz auch nach Jahrzehnten nicht verlieren. Ob so ein Produkt funktioniert oder nicht, hängt maßgeblich von seiner Qualität ab. Es muss perfekt gefertigt und im Design und Engineering so angelegt sein, dass es die Zeit überdauern kann.
Wie kreiert man Produkte von hoher, andauernder Relevanz?
RH: Was unsere Produkte wiedererkennbar macht ist unsere Design-Haltung, die sich seit Jahrzehnten nicht verändert hat. Wir verwenden authentische Materialien und, frei nach Dieter Rams, „so wenig Design wie möglich“. Wir vermeiden modische Trends und Verzierungen – denn dadurch verlieren Produkte nach einiger Zeit ihre Relevanz. Der Mut zum Weglassen und der Mut zur völligen Authentizität des Materials sind die Grundingredienzen unserer Arbeit. Natürlich spielt die Gestaltung selbst auch eine große Rolle. Ob ein Produkt langweilig wird oder das Zeug zum Klassiker hat, ist manchmal ein schmaler Grat.
Was sind dabei die größten Herausforderungen?
RH: Produkte wie Smartphones, die auf Software basieren, werden stark vom technologischen Fortschritt gesteuert. Die Notwendigkeit, das Produkt durch ein Neues zu ersetzen, entsteht weniger durch modische Aspekte als durch ihre Funktionalität und Kompatibilität, die sich sehr schnell wandelt. Hier stellen sich andere Anforderungen an das Design als bei einer Sonnenbrille oder Armbanduhr, an der man fünfzehn Jahre oder länger nichts verändern muss. Wir versuchen unsere Design-DNA auch auf Software-basierte Produkte anzuwenden, müssen aber zugeben, dass wir hier systembedingt kürzeren Zyklen unterliegen.
Welche sind ihre nachhaltigsten Produkte?
RH: Unsere Uhrenkollektion, die Timepieces, werden bereits beim Entwurf als Erbstück gedacht. Auch unsere Brillen sind zum Teil seit Jahrzehnten auf dem Markt, ebenso wie einige unsere Fashion Produkte. Auch in den Bereichen Raum und Mobility denken wir nachhaltig. Beim Porsche Design Tower in Miami haben wir uns für eine Fassade aus schlichtem Glas und einen zeitlosen, kreisförmigen Grundriss entschieden. Und bei der Schmittenhöhe Seilbahn hier in Zell am See bestand die Aufgabe für uns darin, eine Gondel zu schaffen, die mehrere Jahrzehnte am Seil überdauern kann.
Sie haben sogar eine nachhaltige Yacht gestaltet?
RH: Yachten werden von Hause aus eher nicht mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht. Aber dank ihres Hybrid-Antriebs kann die „GTT 115“ von Dynamiq bei langsamen Geschwindigkeiten rein elektrisch fahren. Wir haben die Ästhetik der Superyacht entwickelt und waren begeistert vom nachhaltigen Ansatz unseres Auftraggebers.
Nachhaltigkeit gilt oft als Privileg für reichere Menschen, ist das richtig?
RH: Nachhaltige Produkte sind am Anfang immer etwas teurer aufgrund des hohen Aufwands für eine geringe Stückzahl – sie sind aber wichtige Wegbereiter. Elektroautos waren anfangs auch sehr hochpreisig und werden immer erschwinglicher. Aber langlebige Produkte aus hochwertigen Materialien haben immer ihren Preis.
Welche Faktoren machen Produkte darüber hinaus langlebig?
RH: Aura und Status können zur Langlebigkeit beitragen. Häufig ist das bei Armbanduhren zu sehen. Aber auch Ledertaschen können im Laufe der Jahre mit einer einzigartigen Patina immer schöner werden. Dinge erhalten mit der Zeit eine unwiederbringliche Qualität. Natürlich muss man das mögen. Aber es wäre klug, publik zu machen, dass dies erstrebenswert ist.
Wie kann dieser gesellschaftliche Wertewandel gelingen?
RH: Ein wesentlicher Faktor, um den Menschen Qualitäten wie Wertschätzung und Nachhaltigkeit näher zu bringen, ist Bildung. Es ist wichtig, dass man in der Kindheit lernt, dass es etwas Schönes ist, Dinge lange zu benutzen und auf sie acht zu geben. Das ist in unserer schnelllebigen Konsumwelt heute leider oft nicht der Fall. Es muss ein Umdenken stattfinden, um größere Teile der Bevölkerung dafür zu begeistern. Das wird eine Weile dauern. Aber die Hebel in die richtige Richtung sind gestellt.